Was raschelte da nur so unheimlich zwischen den schneebestäubten Deko-Tannenzweigen? Und war das etwa ein Wispern aus dem Ofen? Ja, da konnte man schon nervös werden, als Regine und ich die 12 Oltener Raunächte in den VHS-Küchen einläuteten. Denn eines stand fest: Unsere Gäste durften sich auf seltsame Rituale, geheimnisvolle Geschichten über Bergkristallwichtel und natürlich auf einen kniffligen Mordfall freuen.
Nach und nach trudelten die Oltener Urgesteine in alpiner Tracht und ritueller Wichtelmütze ein. (Wobei einige Versionen von „ritueller Wichtelmütze“ ganz klar Neuinterpretationen waren – ich sage nur Lichterkette mit USB-Anschluss und Aluhut Deluxe.) Während aromatischer Glühwein Riserva ausgeschenkt wurde, warteten wir gespannt auf die Enthüllung des fünften Raunacht-Mysteriums.
Doch plötzlich gab es Ärger! Der Hüter der Raunachtslegende, Josef Grintschler, hatte sein letztes Glühweinbonbon gelutscht. Skandal! Einige zwielichtige Zugereiste, die anscheinend „Raunacht“ mit „Crazy-Christmas-Nacht“ verwechselt hatten, mischten den Laden ordentlich auf. Es wurde gestritten, diskutiert, geflüstert und verdächtigt. Die Situation heizte sich trotz Minusgraden ordentlich auf. Selbst die Pastorin des Dorfes, die bis dahin allen die Beichte abgenommen hatte, warf die Bibel (symbolisch!) ins Schneegestöber und drohte mit dem ultimativen Sanktionsmittel: Weihwasser-Entzug! Ob die Schuldige oder der Schuldige am Ende gefasst wurde, bleibt natürlich unser gut gehütetes Geheimnis. Aber eines sei gesagt: Es waren definitiv nicht die Außerirdischen, auch wenn Ulf-O bis heute darauf beharrt, dass er grüne Lichter gesehen hatte.
Können Spätzle ein Mordmotiv sein?
Kaum in der Küche angekommen fing es auch schon mit viel Zündstoff an: In dem kleinen Südtiroler Bergdorf gibt es nämlich ganz wie in dem uralten Fernsehspot von Villariba und Villabacho zwei Ortsteile, die eine innige kulinarische Feindschaft pflegen. Während die Oberoltener natürlich Bandnudeln zu ihrem Kalbsragout essen, kommen einem Unteroltener nur und zwar ausschließlich(!) Spätzle auf den Tisch. Ihr könnt euch vorstellen, wie groß die Aufregung war, als einige Touristen plötzlich beides mischten und obendrein noch behaupteten, das wäre das Beste, was sie je gegessen hatten. Zum Glück konnte das sahnige Dessert alle miteinander versöhnen – denn der verschleierte Raunachtstraum war einfach eine Wucht. Da sind sich dann alle wieder einig gewesen.
Würzige Kräuterbündel und lustige Wichtel
Es war selbstverständlich Ehrensache, die von Ur-Ur-Ur-Oma Grintschler überlieferten Raunachtsbräuche der Bergkristall-Wichtel auch auf der Tafel gebührend zu ehren. Deshalb lag auf jedem Teller ein sorgsam zusammengestelltes Räucherkräuter-Bündel, liebevoll gerollt und gebunden von unseren eifrigen Kursteilnehmern. Allerdings gab es nur eine einheitliche Mischung aus Salbei, Thymian und Rosmarin – und schon war der Teufel los am Tisch.
In Oberolten wie in Unterolten schwört man nämlich auf die eine wahre Mischung, und wehe, man hält sich nicht daran! Schließlich könnte – laut uralter Überlieferung – etwas Schreckliches geschehen, wenn die Bräuche nicht haargenau befolgt werden. Glücklicherweise hatte der wachsame Bergkristall-Wichtel seine Wichtelmütze bis tief über die Augen gezogen, sodass kein Blitz herniederfuhr und die Tafel in Rauch aufgehen ließ. Das war auch besser so, denn sonst hätten wir den diesjährigen „Glühwürmchen Glühweinriserva“ vom Weingut Thaler gar nicht angemessen würdigen können. Und mal ehrlich: Was wäre eine Raunacht ohne ein Gläschen magisch veredelten Glühwein?